Offe­ner Brief März 2021

OFFE­NER BRIEF zur Ent­wick­lung am Egi­dien­berg und dem HAUS DES SPIELS

1. Wir erin­nern: Bei unse­rem „Kan­di­da­ten-Früh­stück“ im Vor­feld der OB-Wah­len im letz­ten Jahr sicher­te der dama­li­ge CSU-Kan­di­dat Mar­cus König dem anwe­sen­den Publi­kum einen pfleg­li­chen Umgang mit der Stadt und ihrer Gestal­tung zu. Die Wie­der­auf­bau­leis­tun­gen Nürn­bergs wer­den bis heu­te zu wenig wert­ge­schätzt, was von allen Kan­di­da­ten damals erkannt wurde.

Wei­ter­le­sen

Fin­ger weg vom Pellerhaus

Fin­ger weg vom Pellerhaus

Pro­Pel­ler­haus nennt sich eine Initia­ti­ve, die am 25.02.2019 Mit­glie­der von Archi­tek­ten- und Inge­nieur- Ver­bän­den, Bau­in­itia­ti­ven, Ver­ei­nen, der TH Nürn­berg und Denk­mal­schüt­zer gegrün­det haben. Ziel von Pro­Pel­ler­haus ist der Schutz des nach dem Krieg von den Archi­tek­ten Fritz und Wal­ter May­er kon­zi­pier­ten Baus am Egi­dien­berg, der jahr­zehn­te­lang Stadt- und Uni-Biblio­thek sowie das Stadt­ar­chiv beher­berg­te. Die Archi­tek­tur des Gebäu­des gehört zu den her­aus­ra­gen­den Bei­spie­len des Wie­der­auf­baus in Nürn­berg und steht als sol­che unter Denk­mal­schutz. Eini­ge Freun­de der Alt­stadt wol­len die stadt­bild­prä­gen­de Fas­sa­de abrei­ßen und durch die Kopie des his­to­ri­schen Pel­ler­hau­ses von Anfang des 17. Jahr­hun­derts erset­zen. Die Initia­ti­ve Pro­Pel­ler­haus wen­det sich strikt gegen die­se Absicht.

  1. Das his­to­ri­sche Pel­ler­haus fiel nicht – wie ange­sichts der Debat­te der Ein­druck ent­ste­hen könn­te — dem Wie­der­auf­bau, son­dern den Bom­ben des II. Welt­kriegs zum Opfer, womit das ursprüng­li­che Denk­mal unwie­der­bring­lich zer­stört wurde.
  2. Der Wie­der­auf­bau der unmit­tel­ba­ren Nach­kriegs­zeit war in Nürn­berg nicht das Ergeb­nis zufäl­li­ger Ein­zel­ent­schei­dun­gen, son­dern beruh­te auf einer wohl­durch­dach­ten Gesamt­kon­zep­ti­on. Die Archi­tek­ten Buff, Hirsch­mann, Kröck, Kühn­lein, Leon­hardt, May­er, Rei­chel, Ruf, Schlegt­en­dal, Schmeiß­ner, Schwem­mer, Sei­ler und See­gy bil­de­ten bereits 1948 einen Bau­kunst­bei­rat, der als Kura­to­ri­um für den Wie­der­auf­bau fungierte.
  3. Leit­mo­tiv für den Wie­der­auf­bau der Alt­stadt war, auf der Grund­la­ge des his­to­ri­schen Stadt­grund­ris­ses neben das ech­te Alte qua­li­tät­vol­les Neu­es zu set­zen: „Nichts wäre schlim­mer als in die Rei­he der ech­ten his­to­ri­schen Bau­ten Kopien ein­zu­schmug­geln.“ (Stadt­bau­rat Heinz Schmeiß­ner, 1950)
  4. Die Archi­tek­tur des heu­ti­gen Pel­ler­hau­ses am Egi­dien­berg ist ein her­aus­ra­gen­des Bei­spiel für den Wie­der­auf­bau. Nach über 60 Jah­ren ist das Gebäu­de inzwi­schen selbst ein geschütz­tes Bau­denk­mal. Es ist ein Unding, ein bestehen­des Bau­denk­mal durch die Kopie eines ande­ren Bau­denk­mals erset­zen zu wol­len. „Sein Abriß wäre Rechts­bruch.“ (Kul­tur­re­fe­ren­tin Julia Leh­ner, NN 17.01.2019)
  5. (Bau-)Geschichte ist kein Fer­tig­haus-Kata­log, aus dem man sich her­aus­su­chen kann, was gera­de gefällt. Geschich­te ist ein kom­ple­xes Geflecht gesell­schaft­li­chen Lebens, zu dem auch der Erin­ne­rungs­wert der Men­schen gehört. Für uns Heu­ti­ge steht die mar­kan­te Bogen-Archi­tek­tur des Pel­ler­hau­ses für prä­gen­de Bil­dungs­er­leb­nis­se wäh­rend der Schul- und Stu­di­en­jah­re. Ein Abriß wür­de die Erfah­rungs­wel­ten zwei­er Genera­tio­nen mit Füßen treten.
  6. Archi­tek­tur ist Hei­mat. Eine Stadt ist mehr als nur die Ansamm­lung mehr oder min­der pit­to­res­ker Fas­sa­den. Häu­ser sind Im-Mobi­li­en, die man — anders als in Anker-Stein­bau­kas­ten oder Archi­tek­tur 3D- Pro­gramm — nicht nach Belie­ben aus­tau­schen kann.

In die­sem Sin­ne setzt sich die Initia­ti­ve Pro­Pel­ler­haus für den unge­schmä­ler­ten Erhalt des Pel­ler­hau­ses ein. Die Archi­tek­tur von Fritz und Walt­her May­er in sei­ner jet­zi­gen Form zu bewah­ren und wert­zu­schät­zen hat auch etwas mit Respekt vor den Pla­nern und Ent­schei­dungs­trä­gern des Wie­der­auf­baus zu tun. Dazu gehört auch eine der Wür­de der Platz­be­bau­ung ent­spre­chen­de Gestal­tung des gesam­ten Egidienberges.

Aus: Chro­no­lo­gie der Wie­der­auf­bau­pla­nung für die Nürn­ber­ger Alt­stadt (2007)

Die selbst for­mu­lier­ten Vor­ga­ben der Pla­ner fass­te 1950 Heinz Schmeiß­ner (1905 — 1997), als Stadt­bau­rat feder­füh­rend am Wie­der­auf­bau Nürn­bergs betei­ligt, prä­gnant zusam­men: „Es dürf­te jedem Ein­sich­ti­gen klar sein, dass die Nürn­ber­ger Alt­stadt nicht in einem Aller­welts­stil wie­der auf­ge­baut wer­den kann, vor allem, dass kein Anlass dazu vor­han­den ist, den alten Stadt­grund­riss aufzugeben. (…)

Eine völ­lig fal­sche Aus­le­gung der Tra­di­ti­ons­ver­pflich­tun­gen wäre jedoch der Ver­such, ein­zel­ne Gebäu­de oder Stra­ßen­tei­le als Kopien des frü­he­ren Bestan­des wie­der­auf­zu­bau­en; es wür­de dem Geist von Alt-Nürn­berg in jeder Wei­se wider­spre­chen, wenn man die ein­ma­li­gen, ver­lo­ren gegan­ge­nen Meis­ter­wer­ke der Bau­kunst durch Sur­ro­ga­te erset­zen woll­te! Die erhal­ten geblie­be­nen Bau­denk­ma­le zu pfle­gen und die noch ergän­zungs­fä­hi­gen Rui­nen wie­der­auf­zu­bau­en, ist eine ver­pflich­ten­de Auf­ga­be für die Stadt; dar­über hin­aus erge­ben sich für die Gestal­tung der Neu­bau­ten in der Alt­stadt beson­de­re For­de­run­gen hin­sicht­lich des Maß­sta­bes und des Mate­ri­als, um die not­wen­di­ge Syn­the­se zwi­schen erhal­te­nem Alten und dem Neu­en zu fin­den. Die his­to­ri­schen Bau­ten sind dabei wie kost­ba­re Edel­stei­ne einer Ket­te in eine zurück­hal­ten­de Fas­sung neu­er Bau­ten ein­zu­fü­gen; aber nichts wäre schlim­mer, als in die Rei­he der ech­ten his­to­ri­schen Bau­ten Kopien ein­zu­schmug­geln, die auch bei raf­fi­nier­tes­ter ‚Echt­ma­chung’ stets nur Pein­li­ches an sich haben.“

Nürn­berg, 07.03.2019

Bri­git­te Ses­sel­mann, Archi­tek­tin BDA und Spre­che­rin der Initia­ti­ve Pro­Pel­ler­haus mit Ger­hard Liedt­ke, Pressearbeit